Trader Gernot Daum (Statistikfuchs)

Kauf eines Retracements – gefährlicher und chancenreicher Plan

Liebe Leser,


Ein Kunde sprach mich darauf an, warum ich immer nur über Tradingpläne bei Kursausbrüchen schreibe und nie über den Kauf von Kursrückgängen. Ob denn solche Pläne nicht funktionieren würden. Die kurze Antwort: Natürlich gibt es auch Pläne für den Kauf von Kursrückgängen, die funktionieren. Aber ich schreibe weniger darüber, weil die Behandlung in psychologischer Hinsicht schwieriger ist.


Doch heute zeige ich Ihnen ein aktuelles Beispiel. Vor einigen Jahren habe ich gerne Fibonacci Grids zum Kauf von Kursrückgängen benutzt. Doch meine statistischen Analysen haben mir gezeigt, dass dies immer weniger gut funktioniert.

Daher greife ich heute eher auf klassische Kursmuster zurück. Eines davon ist die Kreuzunterstützung. Eine Kreuzunterstützung bedeutet, dass es einen Punkt gibt, wo sich eine waagrechte Unterstützungslinie und eine Trendlinie kreuzen. Auch die Kreuzung zweier Trendlinien ist eine Kreuzunterstützung.


Jedoch möchte ich persönlich lieber eine waagrechte Linie und damit eine Kursmarke dabei haben. Denn diese sind auch für Marktteilnehmer relevant, die keine Charts benützen. Diese soll es ja immer noch geben.

Eine solche Kreuzunterstützung liegt in diesem Chart von Regeneron Pharmaceuticals aktuell vor. Diese US Aktie ist im NASDAQ100 enthalten. Die kurzfristige Aufwärtstrendlinie läuft im Moment etwa bei 440 Dollar, wo auch eine starke Unterstützung liegt. Zum Chartbild kann noch gesagt werden, dass sich die Aktie in einem soliden Aufwärtstrend befindet, der allerdings bei einem Rückgang unter die besagte 440 Dollar in Frage gestellt ist.


Der Tradingplan ist einfach: Kaufe bei der Unterstützung oder knapp darüber (sagen wir bei 441 Dollar) und setze einen engen Stopp (sagen wir bei 429 Dollar). Die Idee ist: An der Kreuzunterstützung tritt auf jeden Fall verstärktes Kaufinteresse auf (und der Trader beteiligt sich mit diesem Plan selbst daran). Fällt der Kurs trotzdem weiter, ist ein starker Verkäufer im Markt, und der Trade muss deshalb schnell wieder beendet werden.


Als Ziel des Trades kann man sich das frühere Hoch bei 495 Dollar setzen. Man riskiert also 12 Dollar um einen Gewinn von 54 Dollar zu erzielen. Das Chance / Risiko Verhältnis liegt bei exakt 4,5 und ist damit ziemlich gut.

Tageschart der Regeneron Pharmaceuticals Aktie im April 2015

Der Nachteil des Plans ist: Er ist gefährlich. Der Trade kann sehr schnell ausgestoppt werden, manchmal noch am gleichen Tag. Ein Verkäufer hat sich bereits gezeigt, nur seine Stärke steht noch im Zweifel. Ich schätze die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Ausgang des Trades auf nur etwa ein Drittel.


Das ist immer noch gut, denn man gewinnt einmal 54 Dollar und verliert zweimal 12 Dollar. Wege der Möglichkeit eines Abwärts Gaps verschlechtert sich diese Berechnung noch etwas, bleibt aber deutlich positiv.

Die Schwierigkeit des Trades liegt also darin mit doppelt so vielen Verlusttrades als Gewinntrades zurechtzukommen. Zudem können lange Verlustserien auftreten. Bei 100 Trades dieser Art kann leicht mal eine Verlustserie von 6 bis 10 Trades dabei sein. Das können Sie leicht mit einem Würfel ausprobieren. (1-4=Verlust, 5 und 6=Gewinn).


Fazit: Der Kauf von Kursrückgängen im Aufwärtstrend ist ein guter Plan mit statistisch guten Gewinnaussichten. Er ist aber ein Plan für fortgeschrittene Trader, welche das Verlieren als Teil des Spiels voll akzeptiert haben. Und deren vorsichtiges Money Management es zulässt, eine größere Serie von hintereinander liegenden Verlusten zu verkraften.