Chartmuster Rechteck „aufmachen“
Dieses Beispiel beschäftigt sich mit einem Chartmuster, welches eher etwas für Fortgeschrittene als für Einsteiger ist. Aber ich möchte Ihnen hier zeigen, in welche Richtung man sein Nachdenken über die Börse entwickeln kann, wenn man die Ursachen hinter den Mustern versteht.
Es geht hier um die „Megafon“ Fortsetzung zum kürzlich besprochene „Rechteck“ Muster. Das Bild tritt eher selten auf, kann aber bei richtiger Behandlung profitabel sein. Die Bayer Aktie hat dazu in diesem Jahr ein passendes Beispiel geliefert, sehen sie dazu den folgenden Chart:
Im Dezember 2012 / Januar 2013 hatte sich hier ein recht enges Rechteck in den Grenzen von 71 bis 73,50 Euro gebildet. Nach meiner etwas vereinfachenden Betrachtungsweise bedeutete das: Ein starker Käufer kaufte bei 71, ein starker Verkäufer verkaufte bei 73,50 und der Rest der Marktteilnehmer sorgte für die Fluktuation zwischen diesen beiden Marken.
Dann kam es am 25. Januar zu einer großen grünen Bar mit einem Schlusskurs über 76 Euro (grüner Punkt). Das war ein starkes Kaufsignal, denn der Verkäufer auf 73,50 hatte seine Bestände anscheinend veräußert, während der starke Käufer ja immer noch im Markt war. Doch es gibt auch Fehlsignale, und dies war eines. Innerhalb von nur wenigen Tagen fiel der Kurs wieder unter 73,50 zurück.
Alleine aufgrund der vielen neuen Trader, die so ein Signal bringt, hätte das eigentlich nicht passieren dürfen. Der Verkäufer war also noch da, und hat es geschafft, einige seiner Bestände zu deutlich höheren Kursen loszuschlagen.
So, weit so schlecht für die Ausbruch Trader. Fehlsignale gehören zu jedem Trading System dazu. Daher benötigt man ein Stopp Management und eine Position nach einem Ausbruchsystem war demnach nach kurzer Zeit wieder ausgestoppt (blauer Punkt). An dieser Stelle kann man einfach nur den Verlust bedauern. Oder aber eine quasi „fortgeschrittne“ Betrachtungsweise der Situation versuchen.
Aufmachen als Taktik zur Steigerung des Durchschnitt Verkaufskurses
Der Verkäufer hatte „aufgemacht“. Er hatte seine Verkäufe für kurze Zeit ausgesetzt. Vermutlich hatte ihn auch eine gute Nachricht zu der Aktie am 25.01 dazu inspiriert. Durch das Kaufsignal strömten viele neue Käufer in den Markt, und in den Folgetagen nahm der Verkäufer seine Tätigkeit wieder auf, wobei er sicher einige Bestände zu höheren Kursen als zuvor loswurde. Und das ist ja auch seine Aufgabe, wenn ich mir jetzt mal einen Fondmanager vorstelle, der eine große Position abbauen muss: Den durchschnittlichen Verkaufskurs nach oben zu treiben.
Die „Aufmachen“ Taktik hilft ihm dabei. Mit dem „Zurückkommen“ muss er seine Karten allerdings recht schnell auf den Tisch legen.
Was denkt nun aber ein Trader, der gerade Geld verloren hat? Wenn er erfahren ist, denkt er einen Schritt weiter. Und sagt sich „Der Käufer wird jetzt auch „aufmachen“, das ist nur logisch“. Und damit besteht nun die Möglichkeit mit einem guten Chance Risiko Profil die verlorene Long Position in eine kurzfristige Short Position zu drehen.
Aufmachen als Taktik zur Senkung des Durchschnitt Kaufskurses
Warum ist es logisch, dass der Käufer auch „aufmacht“? Weil dieser natürlich auch weiß, dass jetzt viele Trader in neuen Positionen sind, und diese nicht alle mit engem Stopp operieren. Und weil angesichts der durch das „Zurückkommen“ des Verkäufers gezeigten Stärke des Verkaufsdrucks jetzt auch viele Trader aufgeben werden, die ihre Position schon länger haben.
Also nimmt der Käufer sein Bid bei 71 Euro weg und wartet auf tiefere Kurse. Die große rote Bar am 06.02 (mit einem roten Punkt markiert) zeigt diesen Mechanismus eindrucksvoll. Das war auch der richtige Tag, um die kurzfristige Short Position bei 70 Euro oder knapp darunter zu schließen. Die Position weiter auszureizen wäre riskant gewesen. Denn das „Aufmachen“ ist eine kurzfristige Taktik.
Der Käufer muss schnell zurückkommen, um in die Panik und Stoppauslösungen hinein aufzusammeln. Hier ging der Kurs allerdings in den Folgetagen noch eine Etage tiefer und als Resultat ergab sich im Chart schließlich das mit Linien eingezeichnete „Megafon“ Muster durch Expansion des zuvor bestehenden Rechtecks.
Gehen wir von einem erfahrenen Trader aus, der den Ausbruchstrade gemacht, den Verlust hingenommen, und dann den Short Trade gemacht hat. Dieser hat wahrscheinlich nicht nur seinen Verlust ausgeglichen, sondern unterm Strich noch einen kleinen Gewinn gemacht. Das ist Flexibilität beim Trading!
Fazit: Fehlsignale gehören zum Trading dazu. Versteht man jedoch die Verhaltensweisen, die zu Chartmustern führen, und ist flexibel genug in seinem Denken, kann man einen Verlust aus einem Fehlsignal schnell wieder ausgleichen. Der Kursrückgang in obigem Chart zwischen dem roten und dem blauen Punkt war ziemlich gut absehbar.
Es ist ein schneller Trade, den ich keinem Anfänger oder leicht Fortgeschrittenen empfehlen würde. Aber der dargestellte Denkprozess soll Ihnen helfen, eigene Ideen zu entwickeln. Ideen, wie sie Tradingpläne aus den Spuren im Chart entwickeln können. Die Spuren, welche das Verhalten der anderen Marktteilnehmer dort hinterlassen.