Die Kurslücke im Chart
In dieser Artikelreihe wird ein bestimmter Blickwinkel betont. Es handelt sich eher um das „Lesen“ von Charts als um eine mathematisch technische Analyse. Daher nenne ich die Reihe „Charts lesen für Einsteiger“ mit Betonung auf „Lesen“.
Es kommt darauf an, dass Sie nicht nur Linien im Chart sehen, sondern, dass Sie sich Gedanken über die Verhaltensweise der Beteiligten machen. Kommt es Ihnen plausibel vor, verstehen Sie es? Können es nachempfinden, und die nächsten Schritte ahnen? Dann können Sie darauf einen Tradingplan aufbauen, der für Sie selbst nachvollziehbar ist, und den Sie deswegen im Markt auch gut durchhalten können. Das ist einer der wichtigsten Fähigkeiten beim Trading.
Nun komme ich nach den Trends und Preisniveaus die dritte Gruppe von Chartmustern, die ich für wichtig halte: Kurslücken oder auch „Gaps“. Eine Kurslücke entspricht doch voll der Theorie von effizienten Märkten, oder? Eine Nachricht kommt zu einer Aktie heraus, alle Marktteilnehmer einigen sich sofort darauf, welche preisliche Bedeutung die Nachricht für die Aktie hat.
Die Aktie macht einen Sprung auf ein anderes Preisniveau, und das war es dann. Nun ja, die einzigen Kurslücken, die meiner Erfahrung nach in dieses Bild passen sind diejenigen nach einem Übernahmeangebot.
Durch das Angebot entsteht quasi ein Festpreis für die Aktie, und sie läuft nach dem Kurssprung fast nur noch waagrecht. Alle anderen Kurslücken führen jedoch zu viel Bewegung und damit zu vielen Tradingchancen. Eines ist allerdings klar: Eine Kurslücke tritt dann auf, wenn eine Nachricht bei einer Vielzahl von Anlegern zu einem Umdenken führt, und sie eine vollkommen Neubeurteilung der Aktie durchführen. Doch dieses Umdenken geht beim Einen schneller, beim Anderen langsamer.
Das Einfachste, was daher passieren kann, ist die Entstehung eines Trends in die Richtung der Kurslücke. Und die gute Nachricht ist: Solche Trends entstehen oft, und sie können sehr nachhaltig und lange anhaltend sein.
Sehen Sie als Beispiel dazu den folgenden Chart der Morphosys Aktie:
Wie es nach einer Kurslücke im Chart weitergeht
Am 21.09.12 machte die Aktie einen großen Sprung nach oben. Sie eröffnete über dem wichtigen Widerstand von 22 Euro und schloss am Ende des Tages auch darüber. In den nächsten Tagen stieg sie weiter, und zwischen 25 und 26 Euro konsolidierte sie lange Zeit. Doch sie „blickte nie zurück“. Der Trend setzte sich schließlich fort, und im Hoch hat sie bis Ende Februar 2012 fast 35 Euro erreicht. Der Indikator „individuelle Stärke“ unterhalb des Charts zeigt, das die Aktie sich die ganze Zeit nach der Kurslücke besser als der Gesamtmarkt entwickelt hat.
Tradingpläne dazu? Da gibt es unterschiedliche. Man hätte sofort am Tag der Kurslücke einsteigen können, zum Beispiel zum Schlusskurs (grüner Punkt). Den Stopp hätte man in diesem Fall Anfangs knapp unter 20 Euro setzen können.
Wenn man bedenkt, das man bei diesem Trendverlauf bis Ende Februar 2013 nicht ausgestoppt wurde, ein lohnendes Geschäft.
Andere kaufen lieber in der Konsolidierung „unten“, wenn absehbar ist, dass die Aktie weiter durch Käufer unterstützt wird. Mögliche Stellen dazu habe ich mit hellgrünen Punkten markiert. Mit einer solchen Taktik kann man einen recht engen Stopp legen.
Noch andere (und dazu gehöre ich selbst auch) kaufen lieber einen Ausbruch aus der Konsolidierung (hellgrüner Punkt), welcher das „Verschwinden“ eines Verkäufers anzeigt. Der Vorteil dieser Taktik ist, dass man sich einen kurzen Zeitstopp setzen kann, die Aktie „muss sich ab diesem Punkt bewegen“. Das bindet das Kapital nicht überflüssigerweise.
Die Kurslücke im Chart resultiert aus einer Neubewertung
Fazit: Kurslücken führen zu einer vollkommenen Neubewertung einer Aktie Dies wird eben nicht sofort von allen Anlegern sofort verarbeitet.
Daher kommt es im Anschluss oft zu viel Bewegungen, bevorzugt Trends in die Richtung er Lücke. Das ist für den Trader eine gute Möglichkeit, von der Kurslücke zu profitieren.